Wohnen mit Antiquitäten
Immer schon gab es Sammler von Antiquitäten, die dicht gedrängt ihre Kostbarkeiten in ihren Wohnräumlichkeiten schlichteten. Es geht immer um das einzelne antike Unikat , gar nicht um den Einrichtungsgedanken. Bewundernd gehe ich durch deren Räume und erfreue mich daran, dass ich als Händlerin immer wieder dazu beitragen kann, eine Sammlung zu erweitern.
Andere Antiquitätenliebhaber sehen ihre Wohnräume als Gesamtheit. Gekonnt platzieren sie Antiquitäten zu einem harmonischen Gefüge. Es hat den Anschein, als ob jedes einzelne Objekt schon immer da im Verbund gestanden ist. Vielfach stimmt das Interieur mit dem Gebäude zusammen – dass Innere ist eine Folge des äußeren Erscheinungsbildes. Gerne bin ich Gast in dieser manchmal exquisiten oder manchmal gemütlichen Atmosphäre und entdecke wie wunderbar sich Möbel, die ich aus meinem Geschäft kenne, einfügen.
Der moderne Einrichtungsstil zeichnet sich durch bewusst eingesetzte Antiquitäten inmitten von Möbeln und Gegenständen der Jetztzeit aus. Stilbruch ist Konzept. Ein Bauernschrank im lichtdurchfluteten Raum eines Architektenhauses des 21. Jahrhunderts, ein Bauerntisch im Loft mit Betonboden, eine Bauerntruhe in einer klassischen Altbauwohnung, überall bereichern antike Möbel ihre Umgebung, unterstreichen die Individualität des Wohnens, akzentuieren den atmosphärischen Fluss, schaffen bewohnbare Identität.
Das antike Möbel übernimmt vielfach die Rolle eines Sehnsuchtsmöbels. Sehnsucht, die nicht aus der Nostalgie gespeist wird, sondern viel mehr aus der Emotion im Hier und Jetzt. Der Bauernschrank, der Bauerntisch, die Bauerntruhe werden in einem neuen Kontext neu interpretiert.
Die Komposition erzeugt eine interessante Spannung auf Grund von Verschiedenartigkeit, Veränderbarkeit, Unverwechselbarkeit. Ein Bauerntisch mischt sich unter Designermöbel, eine Bauerntruhe ist von modernen Skulpturen umgeben, ein Bauernschrank steht im Raum mit shabby chic Möbeln, moderne Kunst hängt an den Wänden oberhalb einer Bauerntruhe, marokkanische Teppiche liegen am Boden. Wir lösen uns von Geschmacksdogmen und Gestaltungsnormen, wir wollen Bestehendes aufgreifen und neu definieren. Dem unbefangenen Umgang mit Exponaten aus verschiedenen Jahrhunderten, Kunstrichtungen und Kulturen liegen Neugierde und eine große Lust zum Experiment zu Grunde. Das antike Bauernmöbel erzeugt in diesem Umfeld eine Resonanz der Würde und strahlenden Schönheit.
Es macht mir große Freude mit Kunden herauszufinden, wie sie wohnen wollen. Wohnen ist Alltag und erzählt von unseren Bedürfnissen. Es geht um Privatheit und um persönliche Wertorientierung. Die Zusammenarbeit mit ArchitektInnen bzw. Interior DesignerInnen löst sich von dieser ganz persönlichen Ebene und trifft sich im gemeinsamen Bestreben, für das Projekt das Optimum zu leisten. In beiden Fällen fordert mich das Einfühlen in spezifische Situationen heraus und motiviert mich ungemein. In beiden Fällen entstehen persönliche Beziehungen.
Gabriele Prödl-Posch