Roberta Dapunt

Als Ö1 Club-Mitglied bekomme ich jeden Monat das Ö1 Magazin zugeschickt und erfreue mich an den vorgestellten Sendungen. Jene, die mich interessieren, markiere ich und trage sie in meinen Kalender ein. Entweder höre ich sie live oder zeitversetzt, manchmal vergesse ich sowohl auf das eine als auch das andere. In diesem Monat möchte ich gerne eine Sendung mit Ihnen teilen: „Die Menschen, die uns umgeben, prägen uns“ am 22.10.2024 um 16.15 Uhr.

Die Lyrikerin und Bäuerin Roberta Dapunt, die mit ihrem Mann, dem Bildhauer und Bauer Lois Anvidalfarei, im Südtiroler Gadertal lebt.

Meine erste Aufmerksamkeit erweckte die Bauerntruhe im Hintergrund des Fotos von Roberta Dapunt. Dann erfuhr ich im Artikel von ihrem Mann, dessen Werke ich 2018 in der Minoritenkirche in Regensburg im Zuge der Ausstellung „Körper“ bewunderte. Gleich suchte ich den Katalog, den ich mir damals gekauft hatte. Anvidalfarei schafft massige Körper in Bronze, Gips oder Stein und stellt durch sie fragile Menschlichkeit dar. Weiter im Text erahne ich die ernsthafte Auseinandersetzung mit ihrer Kunst und mit dem Leben am Hof – das heißt mit ihrem Leben. Ich verspreche mir Essenz. Außerdem gefällt mir die Fragestellung: „Wie lässt sich Verwurzelung nutzen, um einen Ort der Weite zu schaffen?“

Davon zu erfahren, dass sie bei sich zu Hause literarische und musikalische Veranstaltungen abhalten, bringt mich dazu, ihnen zu schreiben.

Gerne möchte ich wieder einmal in das Gadertal fahren. Eine Region, die für ihre guten Holzhandwerker seit eh und je bekannt ist. Wir haben immer wieder einmal eine Truhe aus dem Gadertal. Diese Truhen haben starke Präsenz. Die Front gliedert sich in architektonische Formen, wie sie aus der Renaissance bekannt sind. Bogenfelder, Schmalfelder, Pilaster, schräggeschnittene Taustäbe sind markante Zierelemente. Farben kommen selten vor und wenn, nur in dezenter blauer oder roter Lasurfarbe um das Ornament zu unterlegen. Die Zirbe ist das vorherrschende Holz. Zurzeit bieten wir kein Möbel aus dem Gadertal an, deshalb fotografiere ich eine Abbildung aus „Stuben und Möbel im Tiroler Bauernhaus“ von Hans Grießmair.

 

Bauerntruhen finden Sie bei Posch Antiquitäten in Birkfeld

 

 

Zu Besuch im Südtiroler Gadertal – die Lyrikerin Roberta Dapunt

Text: Shenja von Mannstein, Ö1 Feature-Autorin

Roberta Dapunt

„Dort, wo die Skulpturen sind, ist unser Haus.“ So beschreibt Roberta Dapunt den Weg nach Ciaminades, oberhalb des Dorfs Abtei/Badia. Hier lebt sie gemeinsam mit dem Bildhauer Lois Anvidalfarei auf dessen großelterlichen Hof. Circa 60 Skulpturen, aus Gips geformte menschliche Körper, bevölklern das Anwesen bis zum Waldrand. Mit den Jahren hat sich die Kunst auf vielfache Weise in das bäuerliche Leben am Hof eingeschrieben. Auch der ehemalige Kuhstall beherbergt Arbeiten des Bildhauers. Im Dachstuhl organisieren sie ein- bis zweimal pro Jahr literarische und musikalische Veranstaltungen. Dann wird in Ciaminades mit den Leuten aus dem Dorf und Gästen von außerhalb gefeiert.

Und so sind wir allein in der weite,

werden zu leibern aus umgrenzter stille,

eine reihe mit den rindern aus achtung

vor ihrem eingefleischten weg.

Vom Schreibtisch der Lyrikerin im zweiten Stock des restaurierten Bauernhauses blickt man auf den Heiligkreuzkofel, ein Bergmassiv der Dolomiten. Hier wurde Roberta Dapunt 1970 geboren. Wie alle anderen Kinder aus dem Gadertal wächst sie streng katholisch auf. Als junge Frau zieht sie auf den Hof ihres Mannes. Sie lernt, Bäuerin zu sein, was ihrem Schreiben eine neue Dimension verliehen hat, wie sie heute sagt. In ihrem Gedichtband la terra più del paradiso / dies mehr als paradies, erschienen im renommierten Einaudi-Verlag, beschreibt sie das bäuerliche Leben in seiner Alltäglichkeit. Die Geburt eines Kalbs, das Schlachten eines Schweins, den Tisch, an dem schweigend gegessen wird und der immer das rechte Maß hat, auch wenn ein Dutzend Personen um ihn sitzt. Die Leute unten aus dem Dorf bezeichnete sie einmal als Seelenheilige. Denn die Menschen, die uns umgeben, prägen uns. Ihre Körperhaltung, ihr Blick. Die Art, wie sie den Gruß erwidern.

Dapunt wächst mit drei Sprachen auf, das gehört bis heute zum Alltag im Gadertal. Ihre Muttersprache ist Ladinisch, eine Sprache mit uralten Wurzeln. Auch ihr Mann und dessen Eltern sind Ladiner. Auf dem Hof gibt es dennoch viele unbekannte Wörter. Das Ladinische  lernte sie erst während der Arbeit im Stall. So entsteht der Gedichtband Nauz, auf Deutsch der Futtertrog. Die Gedichte darin sind eine Metapher für die Beziehung zwischen Mensch und Tier. Überwiegend schreibt sie aber auf Italienisch. Eine Entscheidung, die sie in frühen Jahren bewusst trifft.

Sai cosa è sempre Uma?

Il senza fine, in ogni tempo

 2013 erscheint der Gedichtband Le beatitudini della malattia / die krankheit wunder. Roberta Dapunt beschreibt darin die langjährige Erfahrung mit der Demenzerkrankung der Mutter ihres Mannes. Der Uma. Der Mutter für alle auf dem Hof.

Weißt du was immer ist Uma?

Das ohne ende, in jeder zeit

Mit dem Tod der Uma erlischt auch die religiöse Präsenz, die das bäuerliche Leben über Generationen geprägt hast. Jede Mahlzeit begann und endete mit einem Tischgebet, erzählt sie. In ihren Gedichten scheut sie sich nicht vor religiösen Bezügen. Sie begreift diese als Quelle, obwohl sie selbst nicht kirchengläubig ist. Wie lässt sich Verwurzelung nutzen, um einen Ort der Weite zu schaffen, auch literarisch? Dapunt: „Der Versuch, von dieser Einigung zu erzählen, die nirgends festgeschrieben oder ausgesprochen ist, ist mir persönlich nur in der lyrischen Form möglich.“

 

Um eine Idee von Anvidalfareis Skulpturen zu bekommen ….. die Reise lohnt sich bestimmt

Lois Anvidalfarei

Lois Anvidalfarei